Santiago de Compostela

Die Entwicklung zu der Apostelstadt Santiago de Compostela

Der Wahrheitsgehalt der Geschichten, die sich um den Fund der Gebeine des Heiligen Jakobus ranken, sind nicht wirklich nachzuweisen. Die Erzählungen waren von unterschiedlichsten Interessen geleitet, die sich sogar widersprechen konnten, was jedoch an dem Erfolg der Legende, ihrer Wirkungskraft auf die Menschen und ihrem Einfluss auf Santiago de Compostela nichts ändern konnte.


Angeblich weist der Brief eines Papstes oder Bischofs (möglicherweise Papst Leo III, 795-816) die Überführung der Gebeine von Jerusalem nach Galicien, wo das heutige Santiago de Compostela zu finden ist, nach. Seine Jünger rissen einen heidnischen Tempel ab, bestatteten den Apostel dort und bauten eine Kirche. Diesem Brief Leos wird ein anderer Bericht vorangestellt, der mehr die Geschichte Galiciens berücksichtigt, in der die heidnische „Königin Lupa“ eine Rolle spielt, die durch die Begegnung mit den Jüngern zum christlichen Glauben missioniert wird. Beide Fassungen sind in das Jakobsbuch des 12. Jh. „Liber Sancti Jacobi“ aufgenommen worden.

Man war im 9. Jh. bemüht, die Auffindung des Grabes in Santiago de Compostela mit der Apostelgeschichte in Einklang zu bringen. Dieses schien mit einer Nebenbemerkung des ersten Berichtes, dass ein Glaubensbote in dem Gebiet seiner Missionstätigkeit beigesetzt werden sollte, zu gelingen, obwohl eine Predigertätigkeit des Jakobus auf der Iberischen Halbinsel bis dahin noch gar nicht gesichert war.

Unter muslimischer Herrschaft ab 711 bestand das kirchliche Machtzentrum in Toledo weiterhin und gewann an Bedeutung. Wahrscheinlich blieben die Christen im muslimischen Spanien wichtiger, als die Christen im Norden und Osten der Iberischen Halbinsel. Diese Konkurrenz mag möglicherweise die Ursache für die Entdeckung des Apostelgrabes sein, als Mittel gegen den Führungsanspruch aus Toledo.

Der Norden versuchte, unter der Führung Asturiens, eine eigenständige Kirchenorganisation aufzubauen, die kirchlichpolitischen Einfluss erzielen wollte. In dieser Situation gewann der Jakobuskult an Wichtigkeit.

Nachdem das Grab des Jakobus gefunden wurde (im Zeitraum 818 - 834), ließ König Alfons II (866 - 1037) von Asturien dort eine Kirche errichten, die sich zu einem Wallfahrtszentrum entwickelte. Gewann Santiago de Compostela zunächst regionale Bedeutung, wurde das Grab im 11.  Jahrhundert neben Rom und Jerusalem eine der wichtigsten Wallfahrtsorte der Christenheit.

Galicien war der Teil des Königreiches Leon und bereits Alfons II. und Alfons III. verliehen im 9. Jh. der Kirche Besitz und der Heilige Jakobus wurde immer mehr zu einem mächtigen Patron, den man um Hilfe anflehte, aber auch um Unterstützung in der Schlacht bat. So ließ Alfons III. im Jahre 899 eine neue und größere Kirche in Santiago de Compostela errichten.

Der Zerfall des muslimischen Herrschaftsanspruches und der Eroberungszug christlicher Heere (Reconquista), führte letztlich zur Stärkung der Reiche im Norden, zu denen neben Asturien-Léon auch Navarra gehörte. Mit der Einverleibung Toledos in den Einflussbereich des nördlichen Königreiches, wurde gleichzeitig wieder die römische Kirchenordnung eingeführt, die den Machtanspruch Santiago de Compostelas, eine Apostelstadt zu sein, zurückwies.


Dem ehrgeizigen Bischof, Diego Gelmirez, der 1098/99 den Bischofsstuhl von Compostela bestieg, gelang es durch Hartnäckigkeit, Goldlieferungen, Silbermünzen und anderen Geschenken an den Papst Calixt II., 1124 die Erzbischofswürde für Santiago de Compostela zu erlangen.

Dieser Machtgewinn Santiagos und die zunehmende europäische Pilgerschaft vermehrten den Reichtum der Apostelstadt und ihr Renommee in Europa als Wallfahrtsort.

1985 wurde Santiago de Compostela von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Im Jahr 2000 war Santiago Kulturhauptstadt Europas. Sie hatte heute ca. 95.000 Einwohner, ist  Hauptstadt der Region Galicien, katholischer Erzbischofssitz, Ziel des Jakobswegs und hat eine beliebte Universität. Neben Rom und Jerusalem gehörte Santiago de Compostela zu den bedeutendsten Pilgerzielen des Mittelalters.

Die Kathedrale von Compostela, in der sich die Reliquien des Heiligen Jakobus befinden, ist Ziel für jeden Pilger. Golden erstrahlt bei Sonnenschein der Pilgerapostel von ganz oben und scheint die ankommenden Pilger zu begrüßen. 


Das Ende einer Pilgerreise kann sehr unterschiedlich verlaufen, der gegenwärtig bekannteste Erlebnisbericht ist von Hape Kerkeling, dessen Ankunft in Santiago de Compostela mit einer nationalen Feier zusammenfiel. Ein anderes Ende findet dagegen die Pilgerreise von Roland Breitenbach, dessen Ankunft an der Kathedrale und die rituelle Begrüßung des Heiligen in großer Ruhe erfolgt. Auch diese Stille erreicht das Herz.